2 Updates zu Rn. 475

Zum Werk: Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - Internationale Standards und Kasuistik

Gegnerschaft des Schiedsrichters als Rechtsanwalt zu einem Parteivertreter des Schiedsverfahrens in dessen Rolle als Rechtsanwalt
Update vom 13.02.2017

In zwei SCC-Verfahren (SCC arbitration 2013/180 und SCC arbitration 2015/041) wurde versucht, einen Schiedsrichter wegen einem nicht verbundenen staatlichem Gerichtsverfahren abzulehnen. Dort war der Schiedsrichter als Rechtsanwalt tätig und auf der Gegenseite war der Parteivertreter des aktuellen Schiedsverfahrens ebenfalls als Rechtsanwalt tätig. Eben dieser Rechtsanwalt auf der Gegenseite hatte in diesem staatlichen Verfahren die Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung des Schiedsrichters gerügt. Hierin sah die ablehnende Partei einen ausreichenden Ablehnungsgrund, da der Schiedsrichter aus diesem Grund ihrem Parteivertreter und deswegen auch ihr gegenüber nicht mehr unbefangen sei. Anzeichen für einen Konflikt zwischen Schiedsrichter und Parteivertreter gab es allerdings keine. Die SCC wies die Ablehnung in beiden fällen zurück.

In dem letztgenannten SCC Verfahren wurde die Vergütung durch das staatliche Gericht sogar gekürzt. Den Schiedsrichter betraf dies jedoch nicht persönlich, da seine Vergütung durch seinen Mandanten in voller Höhe erbracht wurde und die Herabsetzung der Vergütung durch das Gericht nur den Ersatzanspruch seines Mandanten betraf.

Hier sind diverse Aspekte zu beachten. Zunächst betraf dieser Umstand nur den Parteivertreter und nicht die Schiedspartei selbst (vgl. Rn. 106). Ferner ist die Rüge von einer angeblich zu hohen Berechnung Rechtsanwaltsvergütung durch die Gegenseite alltaglich (vgl. Sofortige Beschwerde oder Erinnerung gegen Kostenfesetzungsbeschlüsse nach § 104 Abs. 3 ZPO) und hat nicht besondere persönlichen Qualitäten des Schiedsrichters zum Gegenstand (vgl. Rn. 473). Denn durch diese Rüge wird nicht etwa behauptet, dass die falsche Berechnung der Vergütung einen Betrug o.ä. darstelle. Vielmehr wird ein Fehler behauptet, der sich durch einen Rechenfehler oder durch einen Rechtsanwendungsfehler erklären lässt. Diese Umstände sprechen gegen einen wirklichen Konflikt zwischen Schiedsrichter und Parteivertreter, der auf die Partei durchschlagen könnte. Dies wird auch noch dadurch gestützt, dass es keine sonstigen Anzeichen eines Konfliktes gab. Sofern die Rüge der Vergütung keinen Einfluss auf die Höhe des Vergütungsanspruches gegenüber seinem Mandanten hat, liegt ein möglicher Konflikt noch weiter fern. Denn dann betrifft diese Rüge nicht unmittelbar das finanzielle Auskommen des Schiedsrichters.




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Anhängiger Rechtsstreit mit Schiedsrichter aufgrund eines zusammenhängenden Sachverhalts
Update vom 15.05.2020

Interessant ist auch die Konstellation, dass der Schiedsrichter mit einer Partei in einem Rechtsstreit steht und sowohl dieser als auch der von ihm aktuell zu entscheidende Sachverhalt zumindest teilweise deckungsgleich sind. Hier ist ein Ablehnugsgrund anzunehmen. Denn der Schiedsrichter wird in seiner Rolle als Partei die dort relevanten Fakten bereits juristisch gewertet haben und hieraus bestimmte Schlüsse gezogen haben. Muss er nun in seiner Rolle als Schiedsrichter dieselben Fakten aus ähnlicher Perspektive werten, ist eine Unvoreingenommenheit nicht mehr gegeben. Mit "ähnlicher Perspektive" ist hier gemeint, dass die Wertung als Schiedsrichter ggf. der Wertung in seinem eigenen Rechtsstreit widersprechen kann. Nimmt er etwa in seiner Parteirolle eine Pflichtverletzung der Gegenseite durch einen bestimmten Sachverhalt an und muss er auch als Schiedsrichter prüfen, ob eine solche vorliegt, liegt eine ähnliche Perspektive auf dieselben Fakten vor. In diesem Fall liegt nicht nur ein bloßer Rechtsstreit zwischen Schiedsrichter und Partei vor (Rn. 472 ff.), sondern darüber hinaus auch ein identischer Sachverhalt, der aus ähnlicher juristischer Perspektive gewertet werden muss (Rn. 659 ff.).

Eine solche Konstellation lag hinsichtlicher staatlicher Richter BGH, Beschluss vom 10.12.2019, Az. II ZB 14/19 = openJur 2020, 567 zugrunde. Die dort betroffene Richterin war an einem Musterfeststellungsverharen ("Diesel-Skandal") gegen eine Partei des Rechtsstreits vor ihr beteiligt. Zwar musste sie nicht konkret ihren eigenen Fall entscheiden, jedoch betrafen beide Verfahren in weiten Teilen dieselben Fakten und die Perspektive war ähnlich. Der BGH bestätigte die Ablehnung, da schon der "böse Schein" zu vermeiden sei.

Auch ein bereits beendeter Rechtsstreit kann noch zu einem Ablehnungsgrund führen. So wurde etwa in BGH, Beschluss vom 25.03.2021 - III ZB 57/20 für einen staatlichen Richter entschieden, dass er auch noch in einem "Diesel-Skandal"-Verfahren befangen ist, wenn sein eigenes Verfahren gegen die Beklagte bereits durch Vergleich beendet wurde. Wirtschaftlich wäre seine jetzige Entscheidung für ihn folgenlos, da dies keinen Einfluss mehr auf den Inhalt des Vergleiches hätte. Da er dieses Verfahren aber anstrengte (bzw. sich beteiligte) und der Beklagten vorwarf, vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt worden zu sein, liegt eine dennoch bestehende innere negative Einstellung gegenüber der Beklagten sehr nahe.




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