Ein Update zu Rn. 255

Zum Werk: Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - Internationale Standards und Kasuistik

Gemeinsames Nutzen einer Tochtergesellschaft einer Kanzlei
Update vom 19.12.2016

In Decision on the Proposal to Disqualify L. Yves Fortier, Q.C., Arbitrator, in ConocoPhilips Company et al. v. The Bolivian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/07/30 (26.07.2016) versuchte die Beklagte zum wiederholten Male den betroffenen Schiedsrichter abzulehnen. Dieser war zunächst Partner einer großen Kanzlei, deren Mitglieder im aktuellen Verfahren wegen der Kanzleizurechnung (siehe dieses Werk Rn. 230 ff.) ablehnbar gewesen wären. Der betroffene Schiedsrichter war jedoch bereits vor Jahren aus dieser Kanzlei ausgetreten und hatte eine eigene Kanzlei gegründet und eine Rechtsanwältin zur Unterstützung eingestellt. 

Seine Sekretärinnen hatte er jedoch nicht selbst eingestellt sondern diese waren Arbeitnehmer einer Gesellschaft, deren Zweck es war für die frühere Kanzlei des Schiedsrichters Personal und Verwaltungskapazitäten bereitzuhalten. Diese Gesellschaft war ein Tochterunternehmen der ehemaligen Kanzlei des Schiedsrichters. Die Bereitstellung der Arbeitskräfte wurde dem Schiedsrichter durch diese Gesellschaft in Rechnung gestellt und er zahlte diese Rechnung regelmäßig und pünktlich. 

Das Tribunal verneinte hier einen Ablehnungsgrund (dort Rn. 14 ff.), da es eine hierdurch begründete Verbindung des Schiedsrichters mit seiner alten Kanzlei nicht erkennen konnte. 

Diese Entscheidung ist zu kritisieren. Die angesprochene Gesellschaft war eine Tochter der ehemaligen Kanzlei, die - nach der Darstellung in der Entscheidung - für die exklusive Ausstattung der ehemaligen Kanzlei mit Mitarbeitern gegründet und genutzt wurde. Ein solches Vorgehen kann diverse Gründe haben. So kann diese Art des Outsourcings wirtschaftliche Vorteile haben. Unter diesen Umständen ist es bemerkenswert, dass neben der eigentlichen Kanzlei und Mutter auch die kleine Kanzlei des Schiedsrichters betreut wurde. Die bloße rechtliche Verselbstständigung der Gesellschaft von der ehemaligen Kanzlei kann hier kein Argument sein sondern ist bei einem Outsourcing immanent. Insoweit ist auch die in der Entscheidung angesprochene Fehlvorstellung einer Sekretärin, die dachte sie sei bei der ehemaligen Kanzlei des Schiedsrichters angestellt, nachvollziehbar. Die Gesellschaft war offensichtlich juristisch eine andere Person, aber so sehr mit der Kanzlei verwoben, dass die Grenzen verschwammen. Vor diesem Hintergrund ist die Gewährung von Personal an die Kanzlei des Schiedsrichters außergewöhnlich und mit einer Art Privileg zu vergleichen. Dies deutet auf eine enge Zusammenarbeit der beiden Kanzleien hin. Sollte der Schiedsrichter nicht im Sinne der ehemaligen Kanzlei entscheiden, liefe er Gefahr, dass er das Privileg verliert oder ihm unqualifiziertere Mitarbeiter zugeteilt werden. Insoweit bestand eine Abhängigkeit des Schiedsrichter von seiner ehemaligen Kanzlei. Hierbei ist es unbeachtlich, dass es sich nicht um Rechtsanwälte sondern nur um Sekretärinnen handelte. Denn auch auf diese ist eine Kanzlei angewiesen. 

Der Fall wäre anders zu beurteilen gewesen, wenn es eine Gesellschaft ohne beherrschender Beteiligung der ehemaligen Kanzlei gewesen wäre, die am Markt Personaldienstleistungen anbietet. Hier wäre der Umstand, dass sowohl die ehemalige wie die aktuelle Kanzlei des Schiedsrichters Kunden dieser Gesellschaft sind, ein reiner Zufall. Der Bezug dieser Dienstleistung hätte auch nichts mit einem Privileg zu tun, da die Leistungen dieser Gesellschaft grundsätzlich jedem offen ständen. Auch hätte die ehemalige Kanzlei des Schiedsrichters keinen Einfluss auf diesen Dienstleister und könnte den Schiedsrichter nicht von dessen Leistungen ausschließen oder die Qualität der Leistungen beeinflussen. Auch hätte der Fall ggf. anders bewertet werden können, die Gesellschaft zwar der ehemaligen Kanzlei gehören würde, diese aber dennoch grundsätzlich allen Interessenten ihre Dienstleistungen anbietet. Nach den Darstellungen in der Entscheidung war dies jedoch nicht der Fall. Die Gesellschaft diente grundsätzlich nur der ehemaligen Kanzlei des Schiedsrichters und offenbar ausnahmsweise auch der aktuellen Kanzlei des Schiedsrichters. 

 




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